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Wie weiter mit den hessischen Kinos?

Erhalt der Kinovielfalt benötigt Perspektiven

Im Flächenland Hessen spielen die Regionen eine wichtige Rolle. Mehr als die Hälfte der 72 hessischen Kommunen, in denen es Kinos gibt, haben weniger als 25.000 Einwohner. Zwei Drittel der Kinos sind Kleinbetriebe mit nur über einem oder zwei Sälen. Zusammen sorgen sie für ein buntes und vielfältiges Kinoangebot in ganz Hessen, in manchen Orten sind sie das einzige kulturelle Angebot. Diese Vielfalt ist gefährdet.

Seit dem 18.3. sind die Kinos geschlossen. Einen Termin für die Wiedereröffnung gibt es noch nicht. Schon jetzt ist die wirtschaftliche Situation für viele bedrohlich. Soforthilfen kommen für Mieten und andere Betriebskosten in Frage, helfen aber nicht bei den seit März fehlenden Einnahmen und damit dem Einkommen der Betreiber_innen. Sollten sich die Schließungen noch längere Zeit hinziehen, wird die Lage für einige Kinos existentiell. Laut aktueller Umfrage des Kinoverbands HDF droht mehr als der Hälfte der Kinos die Insolvenz, besonders wird es die kleinen Betriebe treffen. Ebenso klar ist, dass von einem Normalbetrieb auf längere Zeit nicht ausgegangen werden kann. Bei der Wiedereröffnung unter Corona-Bedingungen können die Kapazitäten nicht einmal zur Hälfte genutzt werden. Die Frage ist außerdem, welche Filme dann (noch) zur Verfügung stehen werden. Die bisher geltenden Sperrfristen zum Schutze der Kinos werden immer weiter ausgehöhlt. Streaminganbieter sind Profiteure der Krise und haben einige Blockbuster, die für die Jahresplanung der Kinos eine wichtige Rolle spielen, bereits auf den Markt gebracht. Große US-Studios kündigen schon an, ihre Filme auch bei geöffneten Kinos parallel per Streaming auszuwerten.

Die hessische Filmförderung kann mit ihren bescheidenen Mitteln relativ wenig ausrichten. Die aktuelle Kino-Soforthilfe wurde nur möglich mittels Umschichtungen von Projektmitteln aus anderen Förderbereichen, die dort nun fehlen. Hinzu kommt, dass diese Hilfsmaßnahme nicht geeignet ist, die Liquidität der Kinos zu verbessern. Angesichts der sich auch bei Wiederöffnung für das ganze Jahr hinziehenden wirtschaftlichen Probleme sind weitere Maßnahmen und damit eine Aufstockung des Förderetats unerlässlich.

Dringend nötig ist ein Rettungspaket für den insgesamt ins Abseits geratenen Kultursektor.
Wenn „Kunst und Kultur in einem sehr buchstäblichem Sinne Lebensmittel“ sind, wie Bundespräsident Steinmeier am 1.5. sagte, muss es auch Regelungen geben, damit sich die Menschen bald wieder damit versorgen können. Auf Bundesebene verhandelt Ministerin Grütters gerade die Einrichtung eines Kulturinfrastrukturfonds. Auch das Land Hessen muss dazu einen Beitrag leisten, z.B. im Rahmen eines weiteren Nachtragshaushalts, den Finanzminister Boddenberg für Juni angekündigt hat. Es braucht ein deutliches politisches Zeichen, wenn Film und Kino in Hessen diese schwierige Zeit unbeschadet überstehen sollen.

Neben finanziellen Hilfen muss ein Fahrplan, der eine Wiedereröffnung der Kinos spätestens im Juli ermöglicht, aufgestellt werden. Die Bundeskinoverbände AG Kino und HDF haben hierzu eine Vorlage mit einem Hygienekonzept entwickelt (zu finden unter folgendem Link…)

Gerade erlebt das Autokino eine neue Blüte. Das ist nachvollziehbar, weil es momentan die einzige Möglichkeit für Filmvorführungen ist. Warum werden nicht auch Open-Air-Kinos zugelassen? Das Einhalten von Abstands- und Hygieneregeln im Freien ist einfacher als im Kino zu organisieren. Ein Open-Air-Kino ist im Unterschied zum Autokino deutlich weniger aufwändig und mit geringeren Kosten verbunden, und damit auch ein Angebot, das sich an kleinere Orte in ganz Hessen richtet. Hinzu kommen das Gemeinschaftserlebnis und das besondere sommerliche Flair, das auf einem Parkplatz mit im PKW sitzenden Personen kaum aufkommen kann. Vorstellbar sind auch Kombinationen mit Musik- und andere kulturellen Angeboten vor den Filmvorführungen.
Was schon immer galt, gilt in diesem Jahr ganz besonders: Open-Air-Kino hilft den Kinos in den wirtschaftlich schwierigen Sommermonaten. Bewährte Open-Air-Kinos, Festivals und hessenweite Veranstaltungsreihen wie z.B. der Kinosommer Hessen, der seit 18 Jahren zusammen mit Kommunen und Kinos hessenweit stattfindet, stehen in den Startlöchern und warten auf das politische Signal.

Kinos zu öffnen bedeutet auch Angebote für Schulklassen zu ermöglichen. Eine Maßnahme, die beiden, Kinos wie Schulen, hilft. Schon lange gibt es großes Interesse, die jährlich auf 14 Tage begrenzten „Schulkinowochen“ durch ganzjährige Angebote auszuweiten. Angesichts des aktuell sehr begrenzten Unterrichtsangebots wäre dies ein willkommenes Zusatzangebot für die Schulen, das sich an alle Alterststufen und damit auch an die jüngeren Kinder richtet. Die notwendige medienpädagogische Begleitung und geeignete Filmangebote lassen sich durch landes- und bundesweite Netzwerke relativ einfach organisieren.