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Das Filmbüro Hessen trauert um Wolfgang Richter und Dr. Wilhelm Rösing

Das Filmbüro Hessen trauert um Wolfgang Richter und Dr. Wilhelm Rösing 

Die prägenden Schritte seines filmischen Schaffens ging Wolfgang Richter zusammen mit Hannes Karnick, den er beim Studium an der TU Darmstadt kennenlernte. Sie arbeiten zusammen im Filmkreis der TU und widmeten sich später in der gemeinsamen gegründeten Firma „docfilm“ dokumentarischen Themen. „Geschichten aus der Wirklichkeit erzählen“, wie Claudia Prinz es in einem GRIP-Beitrag betitelte, war der Leitgedanke, der ihren Filmen zugrunde lag.  

Neben dokumentarischen Kurzfilmen, wie „Frank Mills“, waren anfangs Fernsehbeiträge für das legendäre ZDF-Jugendmagazin „direkt“ dominierend, bevor das Medium Kino immer mehr an Bedeutung gewann. So lief ihr 1985 entstandener Film „Martin Niemöller: Was würde Jesus dazu sagen“ erfolgreich in den Kinos, begleitet von einer einer Tournee, was in dieser Zeit nur für wenige Filme ermöglicht werden konnte. Der Film, der am 31. August 1985 in der Frankfurter Paulskirche Premiere hatte, fand im Kino weit über 50.000 Zuschauer und Zuschauerinnen. Heute unvorstellbar: Am Buß- und Bettag 1987 wurde der mit der Fernsehspielredaktion des SFB (heute rbb) koproduzierte Dokumentarfilm um 20:15 im 1. Programm der ARD ausgestrahlt. 

Zuletzt waren sie mit „Wenn Ärzte töten“ auf Festivals und in Kinos präsent, ein weiterer „Gesprächsfilm“ und, wie Rudolph Worschech in seinem Nachruf ( https://www.agdok.de/de_de/nachruf_wolfgang_richter) schrieb, ein Beleg für „die große Kunst im Dokumentarfilm, nicht nur zuhören zu können, sondern auch die richtigen Fragen zu stellen. Wolfgang Richter konnte das“. Wilhelm Rösing arbeitete bei diesem Film als Kameraassistent mit dem Team Karnick & Richter zusammen. 

Die Wirklichkeit nicht nur zu dokumentieren, sondern auch zu beeinflussen, war Wolfgang Richter ebenfalls ein Anliegen. So war er bei der Gründung des Filmbüros, der AG DOK und bis in die jüngste Zeit bei der Weiterentwicklung der Filmförderung aktiv. Bis zuletzt war er Mitglied der „Main Jury“, die über aktuelle Produktionsanträge entschied, die er immer mit sehr großer Sorgfalt studierte, was für all seine Jurytätigkeiten gesagt werden darf.  

Mit Wolfgang Richter haben wir einen das Filmland Hessen prägenden und stets inspirierenden Kollegen verloren.    

  

Auch Dr. Wilhelm Rösing war dem dokumentarischen Filmschaffen verbunden, das er während seines Studiums der Chemie in Frankfurt quasi nebenbei erlernte. Die Uni war auch Ausgangspunkt für seine Zusammenarbeit mit Michael Busch, mit dem zusammen er einige Filme produzierte. 1978 reiste er nach Indien, wo seine ersten filmischen Arbeiten, anfangs noch im Super-8-Format, entstanden, die unter anderem im Frankfurter Kommunalen Kino gezeigt wurden.  2002 siedelte er vom Main an die Weser nach Bremen, wo er seine filmische Arbeit mit Zeitzeugen zum Thema Nationalsozialismus und jüdische Emigration auf die Leiwand fortsetzte, was schon in Frankfurt zu seinem Schwerpunktthema geworden war.  

Wilhelm war Mitbegründer AG DOK und mehrere Jahre Kurator der Reihe „AG Dokumentarfilm zeigt“ im KoKi Frankfurt. Auf Vorschlag der AG DOK wurde er in den Rundfunkrat von Radio Bremen berufen und setzte sich dort für die Interessen des Dokumentarfilms ein. Auch im Filmbüro Hessen hatte sich Wilhelm Rösing engagiert, hier war er zeitweise als Geschäftsführer tätig. Für einige seiner Filme konnten wir zusammen mit ihm Tourneen durch hessische Kinos organisieren, zuletzt 2014 für „Der Einzelkämpfer – Richter Heinz Düx“. Für die Dreharbeiten über den Auschwitz-Untersuchungsrichter war er nach Frankfurt zurückgekehrt. Besonders erwähnenswert ist auch die Tournee zu „Bis zur Umkehrbank – Hans Keilson erinnert sich“, an der der damals 101jährige Schriftsteller und Psychoanalytiker Keilson selbst teilnahm. 2021 wurde Wilhelm mit dem Sigmund-Freud-Kulturpreis der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) und der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) ausgezeichnet (die Laudatio von Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber kann hier eingesehen werden). Eine besondere Anerkennung für seine Arbeiten, an denen auch seine Ehefrau, die Psychoanalytikerin Marita Barthel-Rösing, beteiligt war.  

Wilhelm Rösing hat sich mit großer Beharrlichkeit um das Thema Erinnerungskultur und gegen die Geschichtsvergessenheit verdient gemacht. Er starb 9. August in seinem Urlaubsdomizil in Schweden, wo er auch beigesetzt wird. Wir werden ihn als engagierten und immer bescheidenen Kollegen in Erinnerung behalten.